Ewige Antisemiten?

Über die Illusion der Zweistaatenlösung
Foto: Shayshal2, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

Im Zuge des jüngsten Gaza-Krieges – ausgelöst durch das von Hamas, verbündeten Terrorgruppen und palästinensischen Zivilisten am 7. Oktober 2023 begangene größte antisemitische Massaker seit der israelischen Staatsgründung – war nicht nur von den Arabern und der UNO, sondern auch im Westen immer wieder zu hören, dass man so schnell wie möglich und endlich zu einer Umsetzung der »Zweistaatenlösung« zurückkehren müsse, ganz so, als sei es selbstverständlich, die Palästinenser im Ergebnis mit einem eigenen Staat fürs Massaker belohnen zu müssen, damit »beide Seiten« endlich Frieden fänden. »Klar sei aber auch, dass die Zukunft der Palästinenser besser sein müsse als ihre Gegenwart und Vergangenheit«, so die deutsche Außenministerin laut Stern vom 12. November 2023 gegenüber dem »palästinensischen Regierungschef Mohammed Schtajjeh«. Keine zwei Wochen nach dem Blutbad »forderten« [!] Baerbock [!] und ihr jordanischer [!] Amtskollege Al-Safadi nach ntv.de vom 19. Oktober bereits »eine Verhandlungslösung für den Gaza-Krieg, an deren Ende eine Zweistaatenlösung stehen müsse«. Selbst in den Verlautbarungen der offiziell israelfreundlichsten Staaten – der USA und Deutschlands – schwang so stets die Vorstellung mit, den Palästinensern würden seit Jahrzehnten, gar seit 1947, Gebiete vorenthalten, auf die sie irgendeinen legitimen Anspruch oder gar ein Recht hätten, dass entweder – in den Augen unverhohlener Palästinasolidarität – Israel allein oder bestenfalls – in äquidistantem Verständnis für die Juden – »die radikalen Kräfte beider Seiten» die Verantwortung fürs bisherige Scheitern der Zweistaatenlösung trügen, womit in Israel »rechte bis rechtsradikale« Regierungen und »fanatische Siedler« und unter Palästinensern offene Unterstützer des antisemitischen Terrors gemeint sind.

Denn sogar in dezidiert israelsolidarischen Kreisen werden die Geschichtslügen gepflegt, Israel hätte palästinensische Gebiete besetzt gehalten (Westjordanland, Gazastreifen) und jüdische Siedler würden sich – von rechtsreligiösen Regierungen und Parteien unterstützt – auf palästinensischen Gebieten niederlassen. Der Selbstverständlichkeit, mit der fälschlicherweise von »palästinensischen Gebieten« gesprochen wird, korrespondiert die Rede von einem (arabisch konnotierten) »palästinensischen Volk« – als wäre dieses nicht erst Ende der 1960er Jahre mit dem Ziel, Israel zu vernichten, erfunden worden.

Die banale Wahrheit lautet dagegen, dass die Weltgemeinschaft bzw. Israel den Arabern der ursprünglich osmanischen Provinz, dann des britischen Mandatsgebiets »Palästina« mehrmals (ohne Not und ohne jede moralische oder rechtliche Verpflichtung, vielmehr großzügig) einen eigenen Staat angeboten haben, die Araber bzw. die »Palästinenser« solche Angebote aber jedes Mal nicht nur ablehnten, sondern mit Gewalt gegen Israel und die Juden beantworteten. Nach jeder eben auch gewalttätigen Ablehnung der »Zweistaatenlösung« (und damit eines eigenen Staates) durch die Araber und Palästinenser wäre es normal gewesen, die Idee der Zweistaatenlösung endgültig zu begraben und den Arabern gegenüber offensiv zu vertreten, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten ein ohnehin nie existentes Anrecht auf palästinensische Staatlichkeit schlicht und ergreifend für immer verwirkt haben. Die weltgeschichtliche Anomalie, den Palästinensern stattdessen immer wieder anzubieten, was sie umso weniger verdienen, je häufiger sie es ausschlagen – das einzige Volk der Erde, dem diese Ehre je zu Teil wurde –, lässt sich nur durch israelische Menschenfreundlichkeit und weltgemeinschaftlichen Araber- bzw. Islamfimmel sowie, davon schwer zu unterscheiden, Antisemitismus erklären.

Ein Blick in die Geschichte des sogenannten Nahostkonflikts und der israelischen Friedensdiplomatie mag dies erhellen. Dabei ist schon die geläufige Bezeichnung »Nahost-Konflikt« keineswegs um Neutralität oder Objektivität bemüht. Das Wort »Konflikt« ist eine Verharmlosung, das bloße Abheben auf Geografie (»Nahost«) eskamotiert das reale Geschehen, nämlich einen seit der Staatsgründung permanenten Überlebenskampf israelischer Juden gegen antisemitisch gestimmte arabische Mordkollektive.

Nation Building

Es beginnt auch im Westen bereits damit, die Existenz der arabischen Nationalstaaten im Nahen Osten – Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Irak, Syrien und Libanon – für selbstverständlich, geradezu natürlich, zu halten, während man in Hinblick auf Israel bestenfalls ein ominöses »Existenzrecht« verteidigt.

Abzüglich Ägyptens und Saudi-Arabiens, für die es nur teilweise gilt, handelt es sich bei den arabischen Staaten um Resultate britisch-französischen Nation Buildings nach dem Ersten Weltkrieg. Es ist die Belohnung bzw. Gegenleistung dafür, dass sich die arabischen Stämme für den Kampf gegen das Osmanische Reich mobilisieren ließen, also eingelöstes Versprechen des Westens gegenüber »den« Arabern (»die« womöglich zwar ein großarabisches Reich, bestehend aus Libanon, Syrien, Irak, Großjordanien und Teilen Saudi-Arabiens bevorzugt hätten, jedoch nie mit einer Stimme sprechen konnten, weil viel zu viele Stämme und Familien bis aufs Blut verfeindet die Herrschaft über »Arabien« beanspruchen). Die entsprechenden Territorien waren bis dahin jahrhundertelang Provinzen bzw. Verwaltungsbezirke der türkischen Herrschaft (Palästina: 1516 bis 1918). Auf dem Gebiet Palästinas, das in vorbiblischen und biblischen Zeiten u.a. von Griechen, Ägyptern, Persern, Römern und teilweise von Juden beherrscht wurde, später von Byzantinern, leben und herrschen Araber wie Moslems erst frühestens seit den vom heutigen Saudi-Arabien ausgehenden islamischen Eroberungen im 7. Jahrhundert – bis eben die Türken es übernehmen.

Das britische Mandatsgebiet Palästina bis zur Abtrennung des Emirats Transjordanien im Jahr 1923.

Bekanntlich geht die Gründung Israels auf den UN-Teilungsplan von 1947 für das seit den 1920er Jahren existierende britische Mandat Palästina zurück. Auch den Juden hatten die Briten mehrmals eine jüdische Heimstätte in der Region versprochen. Das ist aber für die Frage der moralischen Legitimität eines Judenstaats im Nahen Osten nicht das Entscheidende. Der Zionismus, die jüdische Nationalbewegung, entstand Ende des 19. Jahrhunderts und versteht sich als Reaktion auf den nicht enden wollenden Antisemitismus in der Geschichte Europas. Jahrhundertelang wurden die Juden immer wieder Opfer von Pogromen und systematischen Vertreibungen, etwa aus England und Frankreich seit Ende des 13. Jahrhunderts, aus deutschen Städten und aus Spanien seit dem 15. Jahrhundert, dann die verfolgungsbedingte Massenflucht der Juden aus Osteuropa seit 1880. Stets waren die Juden – im arabo-islamischen Raum verlief die Geschichte ähnlich – abhängig von der Gunst und dem Schutz nicht-jüdischer lokaler »Behörden«, Herrscher, Kirchen bzw. der Bereitschaft benachbarter Gesellschaften, die fliehenden Juden aufzunehmen. Die Idee jüdischer Staatlichkeit und Wehrhaftigkeit bestand daher darin, den Schutz jüdischen Lebens in die eigenen Hände zu nehmen und sich bei der Verteidigung gegen Antisemitismus nicht mehr auf den guten Willen von Nicht-Juden verlassen zu müssen. Angesichts des Holocausts, des nazideutschen Versuchs, die europäischen Juden vollständig zu vernichten, der aus dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der Tatbeteiligung osteuropäischer Bevölkerungen, dem mehr oder weniger tatenlosen Wegsehen der Westmächte, deren Weigerung, mehr jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich aufzunehmen (Konferenz von Evian 1938) usw. einen Weltkrieg gegen die Juden machte, verstand sich die Etablierung jüdischer Souveränität für die Holocaust-Überlebenden und heimatlos Gewordenen – und zwar in Palästina – von selbst. Weltweit haben Juden einen religiösen und nationalen Bezug zu diesem Land; es haben dort immer, auch nach der Vertreibung durch die Römer Juden gelebt. Es hat im Zuge der europäischen Judenvertreibungen und des Holocaust immer Auswanderungen nach Palästina gegeben, das Land war Ziel vieler in Auffanglagern gehaltener displaced persons. Für einen kurzen historischen Moment fand die Idee, den Juden endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, eine Mehrheit unter den Staaten der Welt. Dabei war – auch wenn es seitdem gern verdrängt wird – mitgesetzt, dass jüdische Souveränität und Wehrhaftigkeit bei einer bürgerlich-demokratischen Verfasstheit der Gesellschaft immer auch eine deutliche jüdische Bevölkerungsmehrheit erzwingen. Es geht bei Israel nicht einfach um einen Staat, der diesen Namen trägt und auch von Juden bewohnt wird, es geht um den potenziellen Zufluchtsort für alle von Antisemitismus verfolgte Juden, in dem Juden, ausschließlich Juden, bei aller Meinungsverschiedenheit untereinander, das Sagen haben.

UN-Teilungsplan

Nur die wenigsten (wollen) wissen, dass dem UN-Teilungsplan von 1947 bereits eine erste Teilung Palästinas vorangegangen war. Aus 75 Prozent des Gebietes, das gesamte Territorium östlich des Jordans, wurde Transjordanien, später Jordanien, gebildet. Damit war also ein erster arabischer Palästinenser-Staat geschaffen, dessen Existenz bis heute von niemandem zur Disposition gestellt wurde.

Vor dem Hintergrund des Geredes einer Zweiteilung, einer Zweistaatenlösung für das britische Mandatsgebiet Palästinas, hätte im Sinne historischer Gerechtigkeit überhaupt nichts dagegen gesprochen, die restlichen 25 Prozent westlich des Jordans komplett einem jüdischen Palästinenser-Staat (eben Israel) zuzuweisen. Zumal die palästinensischen Araber unter Führung des Großmufti von Jerusalem in den 1930er Jahren antisemitische Pogrome organisierten und im Zweiten Weltkrieg – wie die Araber insgesamt – auf Seiten Nazideutschlands kämpften – und es eigentlich eine gute Gepflogenheit ist, dass die Gewinner den Verlierern von Kriegen die Friedensbedingungen diktieren. Hätte man die Araber Restpalästinas vor die Wahl gestellt, entweder unter israelischer Herrschaft zu leben oder nach Syrien, Ägypten oder in den arabischen Palästinenser-Staat Jordanien umzusiedeln, wäre das jedenfalls kein Skandal gewesen.

Stattdessen sah der UN-Teilungsplan (annähernd halbe-halbe) 12,5 Prozent des ursprünglichen Palästinas für die Juden und 12,5 Prozent für einen zweiten arabischen Palästinenser-Staat vor, womit die arabischen Palästinenser für ihre Nazi-Kollaboration und Niederlage belohnt und die Juden ohne Grund und Not bestraft wurden. Überdies sollten beide Gruppen ihren Staat auf jeweils drei, kaum miteinander verbundenen, auf den Landstrich verteilten Regionen gründen, mit Jerusalem und Umgebung als von der UNO verwalteter Zone. Trotz der offensichtlichen maßlos ungerechten Benachteiligung der Juden und Bevorteilung der Araber haben die Juden diesen Teilungsplan akzeptiert und ihren Staat gegründet. Die Araber dagegen lehnten und lehnen die »Zweistaatenlösung« (und damit eben auch einen eigenen Staat) seither ab und versuchten und versuchen, den Judenstaat zu vernichten.

Grafik: איתמראשפר, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

Der erste Vernichtungskrieg gegen Israel

Gegen den UN-Teilungsplan und ungehindert durch die UNO oder eine westliche Macht griffen die arabischen Palästinenser sowie die regulären Armeen Syriens, Ägyptens, Iraks, Libanons und Jordaniens den Judenstaat einen Tag nach dessen Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948 an; abermals unter Beteiligung von deutschen Nazis, denen sie Zuflucht vor der Verfolgung durch die Alliierten boten. Aufgrund des von den USA, Großbritannien und Frankreich verhängten Waffenembargos, das erneut einseitig die Juden benachteiligte, hätte Israel fast verloren. Dank der von der Sowjetunion geduldeten Lieferung von Waffen aus der Tschechoslowakei konnte sich Israel nicht nur behaupten, sondern später, mit Kampfflugzeugen ausgestattet, sogar gewinnen. Die Israelis vergrößerten ihr Territorium gegenüber dem UN-Teilungsplan um ein Drittel, indem sie nicht nur Westjerusalem, sondern auch den arabischen Palästinensern ursprünglich zugeteilte Gebiete eroberten: im Norden an der Grenze zum Libanon sowie nord-östlich des Gazastreifens und südlich des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten, mit dem Resultat eines nun auch zusammenhängenden Territoriums. Die verbliebenen, von den arabischen Palästinensern und umliegenden arabischen Staaten ausgeschlagenen »Palästinenser-Gebiete« laut Teilungsplan wurden von Ägypten (Gazastreifen) und Jordanien (Westjordanland) besetzt, wobei die Jordanier auch Ostjerusalem einnahmen.

Das verewigte »Flüchtlingsproblem«

Im Verlauf dieses ersten versuchten Vernichtungskrieges gegen die Juden und ihren Staat kam es zu einer Art Bevölkerungsaustausch, zu Fluchtbewegungen, Vertreibungen und Umzügen. Etwa 750.000 Juden aus der arabischen Welt gingen (freiwillig bis erzwungen) nach Israel und wurden dort integriert. Die arabische Welt machte sich judenrein. Viele palästinensische Araber blieben dagegen in Israel, um dort als israelische Staatsbürger zu leben. Heute sind dies etwa zwei Millionen (also rund 20 Prozent der israelischen Bevölkerung). Etwa 750.000 arabische Palästinenser jedoch entflohen (freiwillig – von arabischen Führern dazu aufgefordert – bis erzwungen) den israelischen Hoheitsgebieten: nach Libanon, Syrien, Jordanien, ins Westjordanland, in den Gazastreifen. Diese Zahlen sind zwar nicht exakt, benennen jedoch eine Größenordnung und dass es auf beiden Seiten etwa gleich viele Flüchtlinge waren.

Bis 1967 wird die alleinige Verantwortung für palästinensische Flüchtlinge daher bei den arabischen Staaten liegen, in denen sie sich aufhalten und die den Krieg begonnen und verloren haben, sowie bei der UNO und den Westmächten, die den Entwicklungen gegen den Teilungsplan bestenfalls zugesehen haben, soweit sie das arabische Vorgehen gegen Israel nicht sogar indirekt bis direkt unterstützten. Zwei Jahrzehnte lang wurden die palästinensischen Flüchtlinge nicht integriert, nicht zu Staatsbürgern Libanons, Ägyptens, Syriens oder Jordaniens. Auch gab es weder seitens der Palästinenser noch seitens Ägyptens oder Jordaniens Bestrebungen, irgendwelche Vorformen palästinensischer Staatlichkeit in Gaza und Westjordanland zu etablieren. Vielmehr wurde der Flüchtlingsstatus zementiert und vererbt, die Menschen sollten in Flüchtlingslagern leben und als politische Schwungmasse gegen Israel in Form irgendeines »Rückkehrrechts« dienen. Ein bis heute vom Westen nicht nur geduldetes, sondern mitfinanziertes Programm. Die UNO schuf 1949 gar ein ausschließlich für arabisch-palästinensische Flüchtlinge zuständiges, eigentlich temporäres Hilfswerk (UNRWA), das seitdem alle drei Jahre verlängert wird – bis heute einzigartig.

Folgen des Sechs-Tage-Krieges

Mit dem von Israels arabischen Nachbarn provozierten Sechs-Tage-Krieg von 1967 ändert sich die Lage noch einmal weitgehend und folgenreich; inzwischen erfreut sich Israel einer minimalen Unterstützung des Westens (allen voran der USA), während die Sowjetunion es eher mit der Arabern hält. Jedenfalls kommt es zur israelischen Besetzung der Sinai-Halbinsel, die Israel für Frieden mit Ägypten (in den 1970er und 1980er Jahren) wieder zurückgibt, zur israelischen Besetzung der syrischen Golanhöhen, die Israel aufgrund des strategischen Vorteils für künftige militärische Verteidigungen 1981 annektiert und die von Trump gegen den Rest der Welt 2019 als Teil des israelischen Territoriums anerkannt werden, sowie zur Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes inklusive Ostjerusalems (1980 annektiert).

Grafik: איתמראשפר, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

Mit dem Westjordanland und Gaza hält Israel fortan herrenlose – und nicht etwa palästinensische – Gebiete besetzt; als die Briten und die UN ihre Hoheitsansprüche aufgaben, haben die Palästinenser das Angebot ausgeschlagen, nach dem Frieden mit Israel verzichten Jordanien und Ägypten. Israel kann die Gebiete nicht annektieren und die dort lebenden Araber und Muslime zu Staatsbürgern machen, weil das die jüdische Bevölkerungsmehrheit und damit Souveränität Israels gefährden würde. Es gibt daher aus der Perspektive Israels nur drei Optionen. Die eine ist, eine fremde Bevölkerung als Besatzungsmacht zu beherrschen, woran Israel langfristig kein Interesse hat. Die zweite Möglichkeit besteht darin, die Gebiete ohne arabische Bevölkerung zu annektieren, was bedeuten würde, die arabischen Palästinenser nach Jordanien und Ägypten umzusiedeln. Gegen den Willen der Palästinenser und der arabischen Staaten wäre dies nur durch eine konzertierte Aktion westlicher Mächte möglich. Dafür hat es bislang allerdings nie Mehrheiten gegeben, auch nie in der israelischen Gesellschaft selbst – obwohl Bevölkerungstransfers historisch häufig allseitig anerkannte Begleiterscheinungen von Nachkriegsordnungen sind, dabei den Ruch »ethnischer Säuberungen« in Kauf nehmend. Die dritte Möglichkeit ist ein palästinensischer Staat in Westjordanland und Gaza, der friedlich mit Israel koexistiert. An dieser Lösung hat Israel ein objektives und daher ehrliches Interesse, während es auf palästinensischer Seite seit jeher an Partnern für eine Umsetzung derselben mangelt.

Die Geburt der »Palästinenser« aus dem Geist der Judenvernichtung

Nicht in den 1930er Jahren oder 1948, sondern erst gegen die israelischen Besatzer entsteht palästinensisches Nationalbewusstsein, ja erst jetzt wird eine neue »Ethnie« bzw. Nation geboren: Araber, deren Vorfahren dauerhaft oder vorübergehend mal in der südsyrischen Provinz des osmanischen Reiches gelebt haben, was für Juden und andere genauso gilt, heißen nun »Palästinenser«, ihre politische Vertretung, mit seit 1969 Arafat an der Spitze und von der UNO 1974 als solche anerkannt, nennt sich PLO.

Bis dahin waren mit »Palästinenser« eher Juden gemeint. »Wenn man damals allerding Araber als ›Palästinenser‹ bezeichnete«, schreibt Gerd Buurmann in der Jüdischen Rundschau (10/2021), »waren sie beleidigt und erklärten: ›Wir sind keine Palästinenser. Wir sind Araber. Juden sind die Palästinenser!‹.« Buurmann zitiert den PLO-Führer Zuheir Mohsen, der im März 1977 in einem Interview mit der niederländischen Zeitung Trouw erklärte:

»Das palästinensische Volk existiert nicht. Die Schaffung eines palästinensischen Staates ist nur ein Mittel, um unseren Kampf gegen den Staat Israel für unsere arabische Einheit fortzusetzen. In Wirklichkeit gibt es heute keinen Unterschied mehr zwischen Jordaniern, Palästinensern, Syrern und Libanesen. Nur aus politischen und taktischen Gründen sprechen wir heute von der Existenz eines palästinensischen Volkes, denn die arabischen nationalen Interessen verlangen, dass wir die Existenz eines eigenen palästinensischen Volkes als Gegenpol zum Zionismus postulieren […]. Aus taktischen Gründen kann Jordanien, ein souveräner Staat mit definierten Grenzen, keine Forderungen auf Haifa und Jaffa aufstellen, während ich als Palästinenser zweifellos Haifa, Jaffa, Beer-Sheva und Jerusalem fordern kann. Doch in dem Moment, in dem wir unser Recht auf ganz Palästina zurückfordern, werden wir nicht eine Minute warten, Palästina und Jordanien zu vereinen.«

Hier hat die Führung der palästinensischen Araber also noch selbstbewusst und offen zugegeben, dass das »palästinensische Volk« lediglich eine Erfindung ist, um Israel zu zerstören. Übrigens gleicht auch die palästinensische Nationalflagge bis auf das Fehlen eines Sterns haargenau derjenigen Jordaniens: rotes Dreieck in schwarz-weiß-grüne Streifen ragend – und ist identisch mit derjenigen Transjordaniens, die noch keinen Stern enthielt.

Konsequenterweise schreibt sich die PLO die Vernichtung Israels als Hauptziel in die eigene Gründungs-Charta. Verschiedene palästinensische Organisationen werden in den 1970er und 1980er Jahren Terroranschläge gegen israelische Soldaten und jüdische Zivilisten überall auf der Welt verüben. Die Ermordung der israelischen Olympiamannschaft am 5. September 1972 in München ist nur ein Beispiel von vielen. Mit dem Jom Kippur Krieg vom 6. bis zum 25. Oktober 1973 unterstrichen auch die arabischen Staaten ihr Desinteresse an einer friedlichen Koexistenz mit Israel: Nach dem Unabhängigkeitskrieg (1948/49), der Sueskrise (1956), dem Sechstagekrieg von 1967 und dem Abnutzungskrieg (1968-1970) war er der fünfte Krieg, den der Staat der Holocaustüberlebenden und ihrer Nachkommen um seine Existenz führen musste. Noch einmal: Den kriegerischen und terroristischen Aggressionen der Araber gegen Israel und die Juden geht es nicht um Grenzverläufe und Gebietsstreitigkeiten, sondern um die Vernichtung des Judenstaates.

Es gab also zwischen 1948 und den 1990er Jahren auf arabischer Seite keine Ansprechpartner für eine Zweistaatenlösung, weder unter den arabischen Staaten noch unter den Palästinensern bzw. ihren Führern, die über die Feindschaft gegen Israel hinaus nichts verbindet: In den 1970er Jahren vertreibt Jordanien die PLO, in den 1980er Jahren der Libanon mit Unterstützung Syriens und der iranischen Hisbollah. Ägypten hält die Grenzen dicht gegen Gaza-Palästinenser, insbesondere zur Zeit der Gaza-Kriege. Und die »Weltgemeinschaft«? Kriegsflüchtende Ukrainer nimmt man auf, Syrern ermöglicht man durch Arrangements mit der Türkei die Flucht, aber Gaza-Palästinenser während des Krieges nach Zypern zu evakuieren und von dort aus auf die arabischen Staaten zu verteilen oder notfalls nach Frankreich und Irland zu verfrachten, das will keinem der humanistischen Mahner Israels in den Sinn kommen, wenn einem Krieg gegen die Hamas, die sich hinter Zivilisten verschanzt, auch Zivilisten zum Opfer fallen. Alle brauchen und verhätscheln die Palästinenser, um über sie irgendeinen Grund für Israelkritik zu finden, aber haben – will sie niemand.

Palästinensische Ablehnung der Zweistaatenlösung seit den 1990er Jahren

Seit Ende der 1980er Jahre gibt die PLO vor, an einer Zweistaatenlösung Interesse zu haben, sie streicht die Vernichtung Israels aus ihrem Programm und erklärt sich zur Anerkennung der Existenz Israels bereit. Im Gegenzug entsteht eine von der PLO geleitete Selbstverwaltung »palästinensischer Gebiete«, eine palästinensische Autonomiebehörde. Parallel werden konkrete Friedensverhandlungen zu einer Zweistaatenlösung aufgenommen (Oslo I und Oslo II).

Zum einen lässt die PLO diese aber immer wieder vor allem an der Forderung nach einem Rückkehrrecht für 1948 »vertriebene« Palästinenser und ihrer Nachkommen in israelisches Kernland, was jüdische Souveränität untergraben würde, scheitern und – wie im Zusammenhang der ergebnislosen Camp-David- und Taba-Verhandlungen – in einer Intifada (2000 bis 2005) gipfeln. Zum anderen entsteht gegen jede Form jüdisch-palästinensischer Annäherung als Konkurrenz zur PLO gegen Ende der 1980er Jahre die islamistische Hamas, die wieder offen zur Zerstörung Israels aufruft und das Repertoire des palästinensischen Terrors gegen israelische Zivilisten seit den 1990er Jahren um das Selbstmordattentat erweitert. Sie gewinnt zunehmend an Einfluss. Seit 2006 und kriegerischen Auseinandersetzungen mit der PLO herrscht sie über den Gazastreifen. Israel hatte sich seit 2005 unter Scharon einseitig aus dem Gazastreifen zurückgezogen, einschließlich des Abbaus aller jüdischen Siedlungen und Evakuierung sämtlicher israelischer Bürger, mit der Folge permanenten Raketenbeschusses Israels durch die Hamas, mehrerer Gaza-Kriege und – aktuell (7. Oktober 2023) – des bestialischsten Massakers an Juden seit der Staatsgründung, nach dem die Hamas Umfragen zufolge auch im Westjordanland unter Palästinensern beliebter ist als die PLO.

Grafik: Joel54321, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

Immer, wenn gegenwärtig von Frieden und einer Zweistaatenlösung die Rede ist, kommt diese als Appell an Israel daher, endlich wieder an die 1990er Jahre, an die Politik von Rabin und Peres, anzuknüpfen. Als stammten die letzten Angebote Israels aus dieser Zeit! Dabei hatte der israelische Ministerpräsident Olmert den Palästinensern bzw. der PLO, die inzwischen von Abbas angeführt wurde, erst 2008 noch einmal einen weitreichenden Vorschlag unterbreitet. Abbas lehnte ab. Saeb Erekat, der palästinensische Chefunterhändler, sagt dazu im Gespräch mit der jordanischen Tageszeitung Al-Dustour am 25. Juni 2009:

»Erst erlaubte [Israel] uns, eigene Schulen und Krankenhäuser zu leiten. Dann boten sie uns 66 % [der besetzten Gebiete] an. In Camp David [in 2000] haben sie uns 90 % angeboten und erst kürzlich 100 %. Warum sollen wir uns also beeilen nach all der Ungerechtigkeit, unter der wir litten?«

Grafik: US Government, Public domain, via Wikimedia Commons.

Zuletzt machte 2020 der Trump-Plan als Angebot einer Zweistaatenlösung mit Unterstützung Netanjahus auf sich aufmerksam. Die Palästinenser und die Arabische Liga ignorierten ihn als völlig inakzeptabel. Trump selbst sprach von einem »Jahrhundertplan« und einer »realistischen Zweistaatenlösung«. Das ist insofern sachlich richtig, als sich die Realitäten vor Ort in den Jahrzehnten nach 1948 und nach 1967 auf eine Weise veränderten, die sich nicht mehr einfach rückgängig machen lassen und daher bei Friedenslösungen unbedingt zu berücksichtigen wären. Gemeint sind u.a. jüdische Siedlungen im Westjordanland, speziell im Jordantal an der Grenze zu Jordanien, für deren Annexion durch Israel Trump sich ausspricht. Warum auch nicht? Es war nie Aufgabe Israels, den Arabern jahrzehntelang judenfreie Plätzchen in von Israel kontrollierten Gebieten für den Fall zu reservieren, dass die Araber sich irgendwann einmal in unbestimmter Zukunft bequemen würden, diese im Rahmen gegenseitiger Anerkennung auch anzunehmen – und dies über alle kriegerischen und terroristischen Aggressionen der Araber hinweg. Wie Olmert, dessen Plan noch die Räumung vieler jüdischer Siedlungen vorsah, bot auch Trumps Plan den Palästinensern Gebietskompensationen (südlich von Rafah) für annektierte Flächen im Westjordanland an. Der Trump-Plan führte der arabischen Welt allerdings auch offen vor Augen, dass ein mit Israel koexistierender Palästinenser-Staat – wenn überhaupt – »realistisch« nur noch in Enklavenform entstehen könne, mit zwei Brücken-Straßen nach Jordanien und für den inneren Zusammenhang einem Tunnel (oder einer Brücke) zwischen Westbank und Gaza durch israelisches Territorium, was jedoch seit dem 7. Oktober 2023 erstmal völlig unrealistisch geworden sein dürfte – wie insgesamt, den Palästinensern wieder einen eigenen Staat anzubieten, zwar die UNO, die Europäer, die Biden-USA und viele Antisemiten umtreiben mag, jedoch für Israel (und alle, die mit ihm solidarisch sind) in nächster Zeit nun wirklich nicht die erste Sorge ist.  

Verwaltung oder Lösung der Antisemitenfrage

Sogar im Westen meint man, dass die israelische Besetzung und das Errichten jüdischer Siedlungen im Westjordanland und in Gaza ihren Anteil am Israel-Hass der Araber hätten und Fakten schaffen würden, die eine künftige »Zweistaatenlösung« im Geist des UN-Teilungsplans erschweren. Beides ist Unsinn. Die Lebens- und Rechtsverhältnisse der arabischen Palästinenser haben sich unter israelischer Herrschaft, verglichen mit derjenigen Jordaniens oder Ägyptens, deutlich verbessert. Und jüdische Siedlungen auf laut überholtem Teilungsplan künftig arabischen Gebieten können ja nur für diejenigen ein Problem darstellen, die arabische Staatlichkeit wie selbstverständlich als judenrein konzipieren. Gleichwohl hat der arabische Antisemitismus die Aufrechterhaltung der Besetzung für Israel teuer gemacht: Schutz der Siedler, Terrorbekämpfung, soziale und humanitäre Verantwortung für eine feindliche Bevölkerung, Verwaltungskosten. Ein einseitiger Rückzug wie in Gaza ist für das Westjordanland wohl ausgeschlossen. Für die Sicherheit und Selbstverteidigung ist das Westjordanland militär-strategisch von größerer Bedeutung als der Gazastreifen, eine Räumung der Siedlungen würde auf größeren innergesellschaftlichen Widerstand stoßen. Eine Annexion kommt ebenfalls nicht infrage, weil das die arabischen Palästinenser des Westjordanlandes zu Einwohnern Israels machen würde. Es gibt daher in naher Zukunft keine »politische Lösung« des Antisemiten-Problems, der Staat der Holocaust-Überlebenden und ihrer Nachkommen scheint dazu verdammt, es weiterhin opferreich lediglich verwalten und sich in regelmäßigen Abständen auch militärisch verteidigen zu müssen.

Würde man nicht nur das sogenannte Existenzrecht Israels bzw. das Überleben des Judenstaates verteidigen, sondern der israelischen Gesellschaft, die seit ihrer Entstehung mit dem Ziel der Vernichtung unaufhörlich von Arabern bekriegt und mit Terror überzogen wird, tatsächlich auch ein Leben in Frieden gönnen, es ernst nehmen, dass die Sicherheit Israels Verpflichtung westlicher Staaten sei, dann bestünde eine wirkliche und langfristige Befriedung des sogenannten Nahost-Konflikts allein in dem, was man von Anfang an hätte tun sollen, und was den Arabern gegenüber – angesichts ihres Handelns in den letzten hundert Jahren – durchaus fair ist: die Umsiedlung der Gaza-Palästinenser nach Ägypten, der Westjordanland-Palästinenser nach Jordanien. Warum nicht endlich eine israelische Ein-Staat-Lösung etablieren, wo die Araber doch mit Jordanien längst einen ersten Palästinenserstaat hatten und den zweiten immer wieder (zuletzt in Form des Trump-Plans) abgelehnt haben, weil sie sich mit der Existenz einer jüdischen Souveränität in Palästina kategorisch nicht arrangieren können? Warum sollten die Araber für permanente antijüdische Aggressionen, insbesondere im Rahmen von Niederlagen, nicht endlich auch einmal bezahlen, wie es das gewöhnliche Gesetz des Krieges bzw. jeder Nachkriegsordnung ist? Warum sollte man Jordanien und Ägypten zur Aufnahme »ihrer Brüder« nicht zwingen oder mit Zuwendungen überreden können? 

Dass diese einzige historisch plausible und moralisch evidente »Lösung« nicht erwogen bzw. als »ultrarechts« diffamiert wird, zeigt nur, wie proarabisch (und zugleich anti-jüdisch) der weltweite »Diskurs« zum »Nahost-Konflikt« in Wirklichkeit – allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz – vorstrukturiert ist.

Literaturempfehlungen:

Karl Selent: Ein Gläschen Yarden-Wein auf den israelischen Golan. Polemik, Häresie und Historisches zum endlosen Krieg gegen Israel, Freiburg 2003.

Alan M. Dershowitz: Plädoyer für Israel. Warum die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen, Leipzig 2005.

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